AS6171 Standard für sicherheitskritische Elektronik

AS6171-Standard 2025 – Prüfverfahren für Elektronik

AS6171 ist die führende internationale Norm zur Erkennung gefälschter elektrischer, elektronischer und elektromechanischer (EEE) Bauteile in sicherheitskritischen Anwendungen.

In diesem kompakten Überblick erfahren Sie:
✅Die wichtigsten Fakten zum AS6171 Standard
✅Die Unterschiede zum älteren AS6081 Standard
✅Die wichtigsten Prüfmethoden
✅Die aktuelle Situation in Deutschland

Milliardenschäden durch gefälschte Bauteile

Nachgeahmte Elektronikkomponenten verursachen jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe. 2011 stellte das Senate Armed Services Committee fest, dass rund 15 % aller Pentagon-Ersatzteile Fälschungen sind (US Congress Report S. 112-167) – ein Weckruf für die gesamte Industrie.
In kritischen Waffensystemen wurden über eine Million verdächtige Bauteile entdeckt (SASC Press Release 2012). Solche Plagiate gefährden nicht nur die Sicherheit, sondern die Funktionsfähigkeit ganzer Systeme.

Marktentwicklung und wachsende Risiken

Der Markt für Defense Electronics wird laut Market.us Research (2025) bis 2033 auf rund 294 Milliarden US-Dollar wachsen. Mit dieser Entwicklung steigt das Risiko, dass gefälschte Elektronikkomponenten in sicherheitskritische Anwendungen gelangen.

Trotz der Gefahren nutzten im Jahr 2022 etwa 89 % der Testlabore den älteren Standard AS6081 (SMT Corp Report 2022). Dieser legt vor allem Beschaffungsrichtlinien fest, bietet jedoch keine genaue Definition umfassender Prüfmethoden. Der neue Standard hingegen ist speziell für sicherheitsrelevante Anwendungen in Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Medizintechnik und Industrie entwickelt.

Was ist AS6171? Definition und Grundlagen

AS6171 ist ein international anerkannter Prüfstandard zur Erkennung gefälschter Elektronikbauteile. Er wurde von der Society of Automotive Engineers (SAE) entwickelt und gilt seit 2016 als weltweiter Maßstab für die professionelle Fälschungserkennung in sicherheitskritischen Anwendungen.

Unterschied zwischen AS6171 und AS6081

Im Gegensatz zum Vorgänger AS6081, der vor allem Beschaffungsrichtlinien beschreibt, ist die AS6171 Norm ein echter Prüfstandard. Er enthält detaillierte Testmethoden, mit denen verdächtige Bauteile untersucht und Fälschungen zuverlässig erkannt werden.

Der neue Standard wird immer dann angewendet, wenn Bauelemente nicht direkt vom Originalhersteller (Original Component Manufacturer, OCM) oder von einem autorisierten Distributor stammen. Typische Einsatzfälle sind:

  • Bauteile aus dem grauen Markt mit unklarer Herkunft
  • Obsolete oder abgekündigte Komponenten vom freien Markt
  • Überschussbestände ohne vollständige Dokumentation
  • Zwischenhändlerware bei Lieferengpässen
  • Verdächtige Lieferungen mit ungewöhnlichen oder abweichenden Merkmalen

Bedeutung des Standards für die Elektronikbranche

Durch die zunehmende Zahl gefälschter elektronischer Komponenten steigt das Risiko für Ausfälle und Sicherheitsprobleme. Der Prüfstandard bietet Unternehmen eine verlässliche Grundlage, um imitierte Teile zu erkennen, Qualitätsrisiken zu minimieren und die Sicherheit von Produkten zu gewährleisten.

Wichtiger Hinweis: AS6171 kann niemals die 100%ige Echtheit eines Bauteils garantieren. Dies ist nur durch eine lückenlose Lieferkette zum Originalhersteller möglich. Der AS6171-Standard reduziert jedoch das Risiko gefälschter Komponenten erheblich und identifiziert verdächtige Teile mit hoher Zuverlässigkeit.

Defekte Elektronikkomponenten in einer Mülltonne

Die Struktur des AS6171-Standard

Der AS6171-Standard besteht aus einem Hauptdokument und elf Unterdokumenten (Slash Sheets), die spezifische Prüfmethoden definieren. Es beschreibt die allgemeinen Anforderungen sowie die Risikobewertung, die Personalqualifikation und das Berichtswesen.

Jedes Slash Sheet wird von der SAE als eigenständiger Standard verkauft, was den Kauf der Normdokumente kostspieliger macht als bei AS6081.

Die Prüfmethoden (Slash Sheets) im Überblick:

Jedes Slash Sheet wird von der SAE als eigenständiger Standard verkauft, was den Kauf der Normdokumente kostspieliger als bei AS6081 macht.

Eine Übersicht und eine Ausblick auf die Zukunft des Standards liefert diese Präsentation: SAE AS6171: Overview and Status Update for ANSI Microelectronics Standards Briefings.

AS6171 vs AS6081 – Die entscheidenden Unterschiede im Überblick

Der Paradigmenwechsel von AS6081 zu AS6171 markiert einen Meilenstein in der Fälschungserkennung. Im April 2023 unterstrich die Revision AS6081A diese Entwicklung. Alle eigenen Prüfverfahren wurden entfernt und ausschließlich auf AS6171-Methoden verwiesen (AS6081A Standard Document).

KriteriumAS6081 (veraltet)AS6171 (aktuell)
FokusBeschaffungsrichtlinienWissenschaftliche Prüfmethoden
PrüftiefeOberflächliche TestsTiefgreifende Analytik
Aceton-Test„Leichter Wisch“Aggressive Oberflächenbehandlung
XRF-AnalyseNur BleibelägeVollständige Materialanalyse
Elektrische PrüfungOptionalVerpflichtend bei Umgebungstemperatur
Passive BauteileNicht spezifiziertEntkapselung und Innenprüfung
PersonalqualifikationGrundlagenLevel 1 & 2 Zertifizierung
RisikobewertungRudimentärUmfassende Risikoanalyse
Vergleich AS6081 gegen AS6171

Der entscheidende Vorteil: Aufgrund erhöhter Fälscher-Raffinesse entwickelte die SAE AS6171 als robustere, risikobasierte Testmethodik (SMT Corp Analysis 2024). AS6081-Tests führen grundlegende Prüfungen durch. AS6171 setzt auf multiple, sich ergänzende Analysemethoden (Converge Industry Report 2025), die Manipulation deutlich erschweren.

Warum der AS6171-Standard der neue Maßstab für kritische Elektronik ist

Seine Stärke zeigt sich in drei Bereichen:

  1. Wissenschaftlich fundierte Prüfmethoden
    Die neue Norm basiert auf jahrelanger Forschung sowie auf den Erfahrungen führender Prüflabore weltweit. Alle enthaltenen Prüfmethoden wurden statistisch validiert, kontinuierlich verbessert und entsprechen den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
  2. Risikobasierter Prüfansatz
    Im Gegensatz zu starren Prüfprotokollen ermöglicht AS6171 eine individuelle Risikobewertung. Abhängig von der Kritikalität der Anwendung, der Komplexität des Bauteils und dem Lieferantenrisiko, werden die optimalen Prüfmethoden ausgewählt. Das sorgt für effiziente und kostengünstige Prüfungen ohne Kompromisse bei der Sicherheit.
  3. Wachsende Akzeptanz in der Industrie
    Der AS6171 Standard wird zunehmend von führenden Unternehmen der Verteidigungsindustrie übernommen. Zu den Anwendern gehören unter anderem Raytheon Technologies, Lockheed Martin, Northrop Grumman, L3Harris und General Dynamics (SMT Corp Industry Report 2024).

Auch in der Luftfahrt zeigt sich die Notwendigkeit solcher Prüfstandards: Mehrere große Fluggesellschaften – darunter American Airlines, Delta Air Lines und Southwest Airlines – mussten über 100 Flugzeuge außer Betrieb nehmen, weil gefälschte Komponenten entdeckt wurden (ConnectorSupplier Analysis 2025).

Die 5 Kategorien gefälschter Elektronikkomponenten

Der AS6171-Standard unterscheidet präzise zwischen verschiedenen Fälschungstypen, da jede Kategorie spezifische Prüfmethoden erfordert:

  1. Recycelt (Recycled)
    – Definition: Gebrauchte Komponenten, die als neu verkauft werden
    – Erkennungsmerkmale: Lötrückstände, Oxidation, mechanische Abnutzung
    – Hauptprüfmethoden: External Visual Inspection (AS6171/2A), XRF-Analyse (AS6171/3)
    – Risiko: Reduzierte Lebensdauer, unvorhersagbare Ausfälle
  2. Remarked (Ummarkiert)
    – Definition: Echte Komponenten mit geänderten Markierungen (Typ, Geschwindigkeit, Temperaturbereich)
    – Erkennungsmerkmale: Ungleichmäßige Beschriftung, Farbabweichungen, Oberflächenveränderungen
    – Hauptprüfmethoden: Solvent Testing (AS6171/10), SEM-Analyse, Electrical Testing (AS6171/5)
    – Risiko: Überlastung, Performance-Probleme, Systemausfall
  3. Überproduktion (Overproduced)
    – Definition: Nicht autorisierte Zusatzproduktion außerhalb der offiziellen Fertigungsläufe
    – Erkennungsmerkmale: Schwer zu erkennen, da oft identische Produktionsanlagen verwendet werden
    – Hauptprüfmethoden: Dokumentationsprüfung, Charge-Analyse, elektrische Charakterisierung
    – Risiko: Ungetestete Qualität, fehlende Garantie
  4. Außerhalb der Spezifikation/Defekt (Out-of-Spec/Defective)
    – Definition: Komponenten, die Qualitätsprüfungen nicht bestanden haben, aber als funktionsfähig verkauft werden
    – Erkennungsmerkmale: Parametrische Abweichungen, Funktionsdefekte
    – Hauptprüfmethoden: Umfassende elektrische Prüfung (AS6171/5), Funktionstest
    – Risiko: Sofortiger oder vorzeitiger Ausfall kritischer Systeme
  5. Geklont (Cloned)
    – Definition: Vollständige Nachbildungen ohne Lizenz des Originalherstellers
    – Erkennungsmerkmale: Abweichende Materialzusammensetzung, vereinfachte Innenstrukturen
    – Hauptprüfmethoden: Decapsulation (AS6171/11), X-Ray Inspection (AS6171/9), Materialanalyse
    – Risiko: Unbekannte Funktionalität, potenzielle Backdoors, Sicherheitslücken

Sonderfall: Tampered (Manipuliert) Seit der 2018er Revision erkennt AS6171 manipulierte Komponenten an – echte Bauteile mit böswillig eingefügten Modifikationen für Spionage oder Sabotage.

💡 Praxis-Tipp: Führen Sie zunächst ein Risk Assessment durch, um die wahrscheinlichsten Fälschungstypen in Ihrer Lieferkette zu identifizieren. Dies ermöglicht eine gezielte Auswahl der AS6171-Prüfmethoden und optimiert das Kosten-Nutzen-Verhältnis.

AS6171-Prüfmatrix nach Risikostufen

PrüfverfahrenCritical
Risk
High
Risk
Moderate
Risk
Low
Risk
Very Low
Risk
External Visual InspectionXXXXX
X-Ray Fluorescence TestXXXX
Delid/Decapsulation AnalysisXXX
Radiological TestXXX
Electrical TestXXX
Raman SpectroscopyXX
FTIR SpectroscopyXX
TGA ThermogravimetricX
Design RecoveryX
AS6171 Risikostufen
Platinenpüfung auf Echtheit durch einen Mitarbeiter

Prüfverfahren: Slash Sheets im Detail

Das Hauptdokument (AS6171A General Requirements) definiert allgemeine Anforderungen. Die 11 Slash Sheets spezifizieren konkrete Prüfverfahren. Jedes Slash Sheet adressiert spezifische Fälschungstypen und Risikostufen.

AS6171/1: Test Evaluation Method – Risikobasierte Prüfplanung

Das erste Slash Sheet (AS6171/1 Test Evaluation) bildet das Fundament aller AS6171-Prüfungen. Er definiert die Counterfeit Defect Coverage (CDC) und Counterfeit Type Coverage (CTC) – Kennzahlen zur Bewertung der Testeffektivität.

Die Methode nutzt statistische Modelle zur Risikobewertung. Unternehmen können verschiedene Testszenarien simulieren und das optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis ermitteln.

AS6171/2A: External Visual Inspection (EVI) – Visuelle Fälschungserkennung

Die externe visuelle Inspektion (AS6171/2A EVI Methods) ist oft der erste Prüfschritt. Moderne Fälschungen erfordern systematische Analyse statt oberflächlicher Betrachtung.

Die 5 EVI-Testmethoden:

  • Method A: General EVI und Sample Selection
  • Method B: Detailed EVI mit Gewichtsmessung
  • Method C: Remarking-Tests (Ummarkierung erkennen)
  • Method D: Resurfacing-Tests (Oberflächenmanipulation)
  • Method E: Präzise Dimensionsmessung

Mikroskopische Oberflächenanalyse mit SEM
Scanning Electron Microscopy (SEM) deckt Manipulationen auf, die dem bloßen Auge entgehen. Typische Befunde:

  • Ungleichmäßige Beschriftungsstrukturen bei remarked Parts
  • Oberflächenrauhigkeit durch chemische Behandlung
  • Materialinkonsistenzen an Lötstellen
  • Mechanische Beschädigungen durch unsachgemäße Entlötung

Remarking-Tests und Oberflächenbehandlung
Remarking ist die häufigste Fälschungsart (SMT Corp Statistics 2024). AS6171/2A definiert systematische Tests:

  • Lösungsmittelresistenz: Echte Beschriftungen überstehen aggressive Chemikalien
  • Farbkonsistenz: Spektralanalyse der Markierungsfarben
  • Oberflächentextur: SEM-Analyse der Beschriftungsstrukturen

AS6171/3: X-Ray Fluorescence (XRF) – Materialanalyse zur Fälschungserkennung

XRF-Spektroskopie analysiert die chemische Zusammensetzung von Bauteilen. Fälschungen verwenden oft minderwertige Materialien oder weichen von Originalspezifikationen ab.

Röntgenfluoreszenz-Prüfungen von Lötstellen und Beschichtungen erkennen Materialanomalien mit hoher Präzision. Typische XRF-Anwendungen sind:

  • Lead-Free Compliance: Bleigehalt in Lötstellen prüfen
  • Finish-Analyse: Oberflächenbeschichtungen verifizieren
  • Substratmaterialien: Grundwerkstoffzusammensetzung
  • Kontaminationen: Unerwünschte Elemente identifizieren

AS6171/4: Decapsulation/Physical Analysis – Innenstruktur-Prüfung

Die Entkapselung (AS6171/4 Decapsulation)) ist ein Prüfverfahren, bei dem elektronische Bauteile geöffnet werden, um deren innere Struktur zu analysieren. Es handelt sich um eine zerstörende Prüfmethode, die eindeutige Beweise für die Echtheit oder Fälschung eines Bauteils liefert.

Verfahren der Entkapselung:

  • Chemische Entkapselung: Auflösen des Gehäusematerials mit Säure
  • Mechanische Öffnung (Delidding): Präzises Entfernen des Gehäusedeckels
  • Plasma-Ätzen: Schonende Freilegung empfindlicher Strukturen

Analyse-Schwerpunkte:

  • Chipgröße und -struktur: Abgleich mit Referenzbauteilen
  • Qualität der Drahtverbindungen: Kontrolle der Bonding-Verbindungen
  • Materialreinheit: Identifizierung von Verunreinigungen oder Fremdmaterial
  • Herstellerkennzeichnungen: Überprüfung der Original-Markierungen

AS6171/5: Radiographic Testing – Röntgenprüfung ohne Zerstörung

Radiographische Prüfung ermöglicht zerstörungsfreie Innenanalyse. Moderne CT-Scans erreichen Mikrometer-Auflösung.

Radiographie Test-Technologien:

  • Digital Radiography (DR): Hochauflösende 2D-Bilder
  • Real Time Radiography (RTR): Live-Inspektion
  • Computed Tomography (CT): 3D-Rekonstruktion der Innenstruktur
  • Micro-Focus X-Ray: Detailanalyse kleinster Strukturen

Erkennbare Fälschungsmerkmale:

  • Fehlende Die-Strukturen: Leere Gehäuse ohne Chip
  • Falsche Die-Größen: Unpassende Chipabmessungen
  • Bonding-Anomalien: Fehlerhafte Drahtverbindungen
  • Foreign Objects: Fremdkörper im Gehäuse

AS6171/7: Electrical Testing Methods – Funktionsprüfung unter realen Bedingungen

Elektrische Tests verifizieren die Funktionalität verdächtiger Komponenten. AS6171 macht elektrische Prüfung bei Umgebungstemperatur verpflichtend.

Standardisierte elektrische Tests:

  • Static Parameter Testing: Eingangsstrom, Ausgangsspannung, Leckströme
  • Dynamic Parameter Testing: Schaltzeiten, Frequenzverhalten
  • Burn-In Testing: Beschleunigte Alterung zur Frühausfallserkennung
  • Environmental Testing: Temperature Cycling, Thermal Shock

💡 Praxis-Tipp: Verwenden Sie niemals nur eine Prüfmethode. Die Stärke liegt in der systematischen Anwendung sich ergänzender Testverfahren. Ein 5-stufiger Prüfplan (EVI + XRF + Electrical + Radiographic + Decapsulation) erreicht über 95% Erkennungsrate (CALCE Research Data).

AS6171 in Deutschland: Normen, Labore und Implementierung

Derzeit gibt es nur wenige akkreditierte Prüflabore weltweit. Das American national Accreditation Board (ANAB) ist die einzige Institution, die AS6171-Akkreditierungen vergibt. Von der ANAB zertifiziere Labore lassen sich auf der Webseite https://search.anab.org/ suchen. Einfach das Land auswählen und weiter unten bei „Testing Programs“ den Punkt „AS6171 – Test Laboratories Performing Detection of Suspect/Counterfeit EEE Parts“ auswählen.

Bei United Kingdom erscheint dann beispielsweise die Astute Electronics Limited (Astute Group AS6171 Certification). Deren deutsche Niederlassung, die Astute GmbH stellt Anfang 2026 von AS6081 auf AS6171-Tests um. Die Niederlassung in Feldkirchen-Westerham wird eigene entsprechende Prüfkapazitäten aufbauen. Bis dahin übernimmt die britische Muttergesellschaft, wenn nötig, AS6171-Tests für deutsche Kunden. Das Besondere: Bei elektrischen Bauteilen aus unsicheren Quellen ist der AS6171-Test automatisch im Kaufpreis des Ditributors enthalten .

Fälschungsrisiken 2025: Wachsende Bedrohung

Gefälschte Elektronikkomponenten stellen eine große Herausforderung für Unternehmen mit sicherheitskritischen Anwendungen dar. Besonders in der Verteidigungsindustrie steigt die Gefahr durch unzuverlässige Bauteile. Folgende Ursachen tragen zur wachsenden Bedrohungslage bei:

  • Geopolitische Fragmentierung
    Globale Krisen zwingen Unternehmen, auf neue Lieferanten auszuweichen. Bewährte Distributionskanäle fallen weg, und mit unbekannten Quellen steigt das Fälschungsrisiko in der Supply Chain deutlich.
  • Technologischer Vorsprung
    Moderne Fälscher nutzen 3D-Druck für täuschend echte Gehäuse und setzen KI ein, um Dokumentationen zu fälschen. Visuelle Prüfungen allein reichen nicht mehr aus, um gefälschte Elektronikbauteile zu erkennen.
  • Zeitdruck in Beschaffungsprogrammen
    Durch die steigende Nachfrage nach Rüstungselektronik werden Prüfprozesse oft verkürzt. Diese Lücken nutzen Fälscher gezielt aus, um ihre Produkte in den Markt zu bringen.

Defense Electronics Markt: Wachstum und Risiko gleichzeitig

Der globale Markt für Defense Electronics wächst laut Precedence Research von 186 Milliarden US-Dollar (2025) auf 290 Milliarden US-Dollar (2034) – mit einer jährlichen Wachstumsrate von 5,08 %.

Am 18. März 2025 hat der Deutsche Bundestag die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert. Damit kann Deutschland unbegrenzt Kredite für militärische Beschaffung aufnehmen.

• 2025: 94,3 Mrd. Euro Verteidigungsausgaben (2,4 % des BIP)
• 2029: 162 Mrd. Euro Verteidigungsausgaben (3,5 % des BIP)

Das bedeutet eine Steigerung um mehr als 120 Milliarden Euro in nur vier Jahren. Diese Zahlen stammen aus dem offiziellen Regierungsentwurf, vorgestellt beim NATO-Gipfel in Den Haag.

Supply-Chain-Risiken in der Elektronikindustrie

Der Ukrainekrieg verdeutlicht, wie anfällig globale Lieferketten für Halbleitermaterialien sind. Vor dem Konflikt stammten etwa 70 % des weltweiten Neons, sowie rund 90 % des in den USA verwendeten hochwertigen Halbleiter-Neons, aus der Ukraine. Durch den Krieg sind wichtige Lieferanten wie Ingas und Cryoin ausgefallen.

Neue Technologien wie Drohnenschwärme mit KI-Steuerung erfordern hochmoderne Elektronik vom Mikrochip bis zum Sensorsystem und sorgen so für wachsende Nachfrage. Hinzu kommt, dass mit steigendem Zeitdruck bei Rüstungsprogrammen ebenfalls Supply-Chain-Risiken entstehen können da Prüfprozesse gekürzt und neue Lieferanten nicht ausreichend geprüft werden.So gelangen Fälschungen leichter in den Markt.

Der USA-China-Konflikt ist ein weiterer Treiber des Graumarkts. Immer mehr chinesische Anbieter landen auf der US-„Entity List“ und US-Unternehmen dürfen ohne spezielle Genehmigung keine Technologie, Software oder Ausrüstung mehr an diese gelisteten Firmen liefern. Genau dieser Ausschluss zwingt sie dazu, alternative Beschaffungswege zu suchen oder Graumärkte zu nutzen.

Deutsche Unternehmen stehen zwischen den Fronten: Amerikanische Komponenten werden teurer und schwerer verfügbar. Chinesische Alternativen gelten als Sicherheitsrisiko. Die Fälscher haben sich der neuen Situation angepasst und liefern über Umwege aus Malaysia, Singapur oder Hongkong. Ursprungsmarkierungen werden dabei verschleiert und Papiere gefälscht.

Besonder brisant: Echte und gefälschte Komponenten werden gemischt. Ein Teil der Lieferung ist authentisch, der Rest Fälschung. Stichprobenprüfungen versagen bei dieser Methode.

Supply Chain für Elektronik

Die neue Generation der Fälschungstechnologien

3D-Druck: Perfekte Gehäuse auf Knopfdruck

Die additive Fertigung hat einen Wendepunkt erreicht. Moderne 3D-Drucker reproduzieren elektronische Gehäuse mit einer Präzision, die optisch nicht von Originalen unterscheidbar ist.

Wie funktioniert die neue Bedrohung?
Fälscher scannen Original-Komponenten dreidimensional ein. Die Daten werden in CAD-Programme übertragen und optimiert. Spezielle Kunststoff-Mischungen imitieren die Materialeigenschaften echter Gehäuse. Sogar Laser-Gravuren werden exakt nachgebildet. Die Gehäuse sind äußerlich perfekt – nur der Inhalt ist minderwertig.

Diese Entwicklung stellt etablierte Prüfmethoden in Frage. Die externe visuelle Inspektion (AS6171/2A) reicht nicht mehr aus. XRF-Analysen müssen verfeinert werden, um subtile Materialunterschiede zu erkennen. Nur SEM-Aufnahmen können charakteristische Spuren des 3D-Drucks aufdecken, die dem bloßen Auge entgehen.

Künstliche Intelligenz fälscht Dokumentation

Large Language Models (LLM) haben eine neue Dimension der Dokumentenfälschung ermöglicht. KI-Systeme generieren technische Datenblätter, die von echten kaum unterscheidbar sind.

Der Prozess ist einfach: Eine KI analysiert hunderte authentische Datenblätter eines Herstellers. Sie lernt Stil, Terminologie und Layout. Anschließend generiert sie gefälschte Dokumente für nicht existierende Komponenten. Zertifikate, Testberichte und Traceability-Ketten können perfekt nachgeahmt werden. Die so erzeugten Dokumentationen bestehen jede oberflächliche Prüfung.

Die Halbleiterhersteller experimentieren mit Blockchain-basierten Verifikationssystemen als Gegenmaßnahmen. Echte Dokumente erhalten einen unveränderlichen digitalen Fingerabdruck. Dazu werden digitale Wasserzeichen werden in PDFs eingebettet – unsichtbar für Menschen, aber erkennbar für Prüfsoftware.

Bauteilknappheit: Der perfekte Nährboden für Fälschungen

Aktuelle Lieferengpässe zwingen Unternehmen, alternative Beschaffungsquellen jenseits der offiziellen Distributoren zu nutzen, wodurch gefälschte Teile in die Lieferkette gelangen können. Die Fälschungsbedrohung hat sich von einfachen, neu markierten Teilen zu hochkomplexen „Klonen“ entwickelt, was eine erhöhte Wachsamkeit erfordert.

Die Logik dahinter: Wenn autorisierte Verkäufer nicht liefern können, suchen Unternehmen Alternativen. Der Graumarkt springt ein – mit allen Risiken.

Knappheit: Von der Krise zu strategischen Engpässen

Der ursprüngliche Halbleitermangel, der weite Teile der Automobilindustrie 2021 gelähmt hat, ist Mitte 2023 abgeklungen. Die aktuellen Engpässe sind weniger auf eine allgemeine Produktionsschwäche als vielmehr auf gezielte technologische Übergänge und strategische Marktdynamiken zurückzuführen.

  • Automotive Mikrocontroller: Die Knappheit bei Chips, wie dem Infineon AURIX TC4Dx oder neuen Renesas RH850-Serien, resultiert aus der Umstellung auf neue, leistungsfähigere Architekturen für zukünftige, software-definierte Fahrzeuge. Da die Massenproduktion dieser neuen Komponenten erst in den Jahren 2024 und 2025 hochgefahren wird, übersteigt die Nachfrage das aktuelle Angebot.
  • Militärische Steckverbinder: Die langen Lieferzeiten betreffen nicht alle Hersteller gleichermaßen. Allerdings kann ich aus meiner täglichen Arbeit als Key Account Manager im Defence-Bereich bei der Astute GmbH bestätigen, dass Lieferzeiten von mehr als 20 Wochen mittlerweile normal sind.
  • Speicherbausteine (DDR5-RAM & Flash): Der Preisanstieg bei DDR5-RAM ist nicht primär auf eine Knappheit im herkömmlichen Sinne zurückzuführen. Nach Verlusten im Jahr 2023 haben die Hersteller ihre Produktion gezielt gedrosselt, um die Preise zu stabilisieren und die Rentabilität wiederherzustellen.

Fälschungsaktivität folgt Marktpreisen

Eine klare Korrelation existiert zwischen Komponentenpreisen und Fälschungsrisiko. Wenn Preise deutlich über dem Normalwert liegen, steigt die Wahrscheinlichkeit gefälschter Ware exponentiell.

Warnsignale für erhöhtes Risiko:

  • Neue, unbekannte Distributoren drängen in den Markt
  • Komponenten werden aus ungewöhnlichen geografischen Regionen angeboten
  • Dokumentation ist unvollständig oder verdächtig
  • Lieferzeiten sind unrealistisch kurz, bei knappen Bauteilen

Der Markt für elektronische Bauteile hat sich von einem reaktiven Problem der Versorgungsketten zu einem strategischen Risikofeld entwickelt. Die Fälschungsbedrohung hat sich weiterentwickelt, wobei die Täter zunehmend auf „Deepfake“-Bauteile und ausgefeilte Betrugsmethoden setzen.

Hardware-Trojaner: Die nächste Eskalationsstufe

Hardware-Trojaner waren lange ein theoretisches Risiko. Heute sind sie Realität. Moderne Mikrochips enthalten Milliarden von Transistoren. Zusätzliche Schaltkreise für Spionage oder Sabotage lassen sich verstecken.

Wie funktionieren moderne Hardware-Trojaner?
Supply Chain Insertion ist die gefährlichste Methode. Während der Chipproduktion werden zusätzliche Schaltkreise eingefügt. Diese „Backdoors“ sind in der finalen Silizium-Struktur praktisch unentdeckbar.

Dormant Triggers aktivieren sich nur unter spezifischen Bedingungen. Ein Trojaner könnte jahrelang inaktiv bleiben und erst bei einem bestimmten Datum oder Signal erwachen.

Data Exfiltration ermöglicht das unbemerkte Abfangen sensibler Informationen. Verschlüsselungsschlüssel, militärische Pläne oder Industriegeheimnisse landen beim Angreifer.

Antworten auf die Trojaner-Bedrohung

Die SAE arbeitet an neuen Slash Sheets für Hardware-Trojaner-Erkennung. AS6171/20 wird X-Ray Photoelectron Spectroscopy für Oberflächenanalysen spezifizieren. Auch im VDE in Deutschland gibt es mittlerweile eine Fachgruppe „Vertrauenswürdige Elektronik“ (https://www.velektronik.de/)

KI hält Einzug in die Chipanalyse, Algorithmen erkennen Anomalien in Schaltungsmustern, die mit dem Auge nicht erkennbar sind.

Hochauflösende CT-Scans werden Standard für besonders kritische Komponenten. Moderne Systeme erreichen Nanometer-Auflösungen und decken selbst kleinste Abweichungen auf.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Sofortmaßnahmen

Risiko-Assessment aktualisieren: Bewerten Sie quartalsweise die geopolitischen Risiken für Ihre kritischsten Komponenten. Nutzen Sie die AS6171-Risikoklassifizierung als Grundlage.

Lieferanten diversifizieren: Verlassen Sie sich nicht auf einzelne Quellen. Qualifizieren Sie mehrere AS6171-zertifizierte Labore als Partner.

Mitarbeiter schulen: Investieren Sie in AS6171-Weiterbildungen.

Strategische Investitionen

Technologie-Monitoring: Etablieren Sie ein Frühwarnsystem für neue Fälschungsmethoden. Verfolgen Sie Entwicklungen in 3D-Druck und KI.

Supply Chain Mapping: Schaffen Sie vollständige Transparenz über alle Lieferanten. Jeder Zwischenhändler muss bekannt und verifiziert sein.

Fazit: AS6171 wird unverzichtbar!

Die Bedrohung durch gefälschte Elektronikkomponenten erreicht 2025 eine neue Dimension. Traditionelle Prüfmethoden versagen gegen moderne Fälschungstechniken.

Deutschland investiert bis 2029 viele Milliarden Euro zusätzlich in Verteidigung. Jeder Euro, der für gefälschte Komponenten ausgegeben wird, ist Verschwendung – und ein Sicherheitsrisiko.

AS6171 bietet die wissenschaftlich fundiertesten Methoden zur Fälschungserkennung. Unternehmen, die jetzt investieren, sind morgen besser geschützt.

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